Als Langzeitsingle wartet man auf die eine, exklusive Beziehung. Und zweifelt oft daran, dass sie noch kommen wird.
22. Juni 2016 von Mareike Steger

Single auf Lebenszeit?

Fast jeder Dritte in Österreich ist Single. Und nicht wenige sind Langzeitsingles. Mit den Jahren der Partnersuche wachsen die Zweifel, ob da noch eine neue Liebe kommt. Ist man als Langzeitsingle etwa unvermittelbar?

Wenn Singles sich selbst sabotieren

Allein schon das Wort: Langzeitsingle. Klingt wie „unvermittelbar“. So denkt zumindest Nadine immer öfter. Sie ist jetzt 29, hat seit fünf Jahren keine feste Beziehung mehr gehabt. Gut, dank Tinder ist es leichter geworden, jemanden für eine Nacht oder ein paar mehr zu finden. Und richtig unglücklich ist Nadine auch nicht, sie hat genügend Freunde, macht viel Sport, ihr Job erfüllt sie. Doch manchmal glaubt sie, es müsse wohl an ihr liegen, dass sie keinen passenden Partner mehr findet.

 

„Es gibt unterschiedliche Gründe, warum Singles keinen Partner finden“, sagt Psychologin Doris Jeloucan, Single- und Beziehungsexpertin aus Graz. „Oft ist es jedoch Selbstsabotage. Irgendetwas hält einen zurück, eine Beziehung einzugehen, obwohl man sie gern möchte – und obwohl man auch auf genügend passende Partner trifft.“ Etwa Gedanken wie „Was habe ich schon zu bieten?“, „Ich bin nicht liebenswert“, „Alle Männer/Frauen sind ….“

Zugleich stellt die Expertin jedoch oft eine „Consumer-Einstellung“ bei den Suchenden fest. Nach dem Motto: „Was nicht passt, wird zurückgegeben“. „Heute trennt man sich, weil man noch glücklicher sein kann – mit jemand anderem. Das ist auch bei Singles so. Da hat man zwar jemanden getroffen, der schon ganz nett ist. Aber es reicht nicht aus. Sobald die ersten Schwierigkeiten auftreten – und die treten in jeder Beziehung auf! –, schmeißt man hin. Statt an sich und der Beziehung zu arbeiten.“

 

Sind Langzeitsingles demnach selbst schuld daran, wenn sie niemanden finden? Nein, sagt die Psychologin, es geht nicht um Schuld. Denn für Kindheitsverletzungen, die Bindungsängste verstärken können, oder für Bindungsangst, die aus vorangegangenen Beziehungen stammt, könne niemand etwas.

Als Langzeitsingle leidet man unter der Einsamkeit. Trotz vieler Freunde.

Doch jeder Single kann Verantwortung übernehmen! Wer unter seinem Alleinsein leidet, dem würde ich zu einer Selbsterfahrung raten. So lassen sich unter professioneller Anleitung Barrieren auflösen, die einen daran hindern, eine Partnerschaft zu führen“, sagt die Coachin, die in Graz Beziehungstrainings anbietet. „Garantie, jemanden zu finden, gibt es zwar keine, aber darum geht es auch gar nicht. Sondern um das Gefühl ‚Ich hab’s getan!‘. Es geht ja auch niemand gleich auf den Berg, um Ski zu fahren, sondern erst einmal in einen Skikurs.“

 

Laut einer Parship-Studie sind 38 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher länger als drei Jahre Single (darunter mehr Frauen als Männer), 17 Prozent sind noch nie eine Partnerschaft eingegangen. Ab einer Singlezeit von drei Jahren bekommt man schon den Stempel „Langzeit“? Expertin Jeloucan sieht das anders: „Es gibt keine magische Grenze. Das hängt von persönlichen Gegebenheiten, etwa: War man schon einmal Single, wie (un-)angenehm ist mir dieser Status.“ Auch das Alter und das sexuelle Verlangen spielen da mit hinein.

 

Singles sind übrigens alles andere als eine homogene Gruppe. Der Soziologe Stephan Baas unterscheidet drei Gruppen: Singles zwischen 20 und 30 Jahren, noch ohne Familie. Geschiedene Singles zwischen 40 und 50 Jahren. Und die  verwitweten älteren Frauen. Allein sind die Singles meist nicht – sie haben mindestens genauso viele soziale Kontakte wie Menschen in Beziehungen. Allerdings sagt die Menge an Freunden ja noch nichts über das Maß an „gefühlter Einsamkeit“ aus, so Baas. Besonders frisch geschiedene Männer leiden darunter, während ganz junge Single in der Regel nicht einsam sind.

 

Sorgen, niemanden (mehr) zu finden, sind zutiefst menschlich – denn unser Hirn braucht nun einmal tiefe, enge, exklusive Bindungen. „Sonst kann es sich nie zu hundert Prozent entspannen und auslassen“, sagt Doris Jeloucan. Unvermittelbar aber muss sich niemand fühlen. Denn Beziehungsfähigkeit lässt sich an vielen Orten lernen, mit Freunden, in der Arbeit …

 

Ist am Ende ein Langzeitsingle vielleicht sogar der bessere Partner? Weil er gut mit sich allein kann und darin stark ist, seinen Wert unabhängig von einem Partner einzuschätzen? Das glaubt die Expertin weniger: „Wenn man dann Nähe und Bindung bekommt, sind die meisten so ängstlich, diese wieder zu verlieren, dass sie in ihre Schutzmuster fallen. Das heißt: Entweder klammern sie oder sie werten innerlich die Bedeutung des anderen ab.“

 

Einen Vorteil hat der Langzeitsingle dann aber doch: Er bringt keine Altlasten mit. Expertin Jeloucan: „Ihr neuer Partner muss nichts wiedergutmachen, wo ein anderer sie verletzt hat. Sie bekommen einen frischen Start!“

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