Am Anfang einer Beziehung berühren sich beide noch viel. Hauptsache, das bleibt so!
1. Oktober 2016 von Mareike Steger

Anfassen erlaubt: Sich berühren lassen, tut gut!

Der Kult um den Körper ist uns wichtig. Zugleich aber leben wir mehr und mehr in einer körperlosen Gesellschaft. Dabei ist anfassen, streicheln und kuscheln so wichtig. Also: Lasst euch öfter berühren!

Vom Berühren und Berührt sein

45 Zentimeter. Näher dürfen uns fremde Menschen nicht kommen, sagen Wissenschaftler, sonst fühlen wir uns belästigt. Doch warum gibt es dann Kuschelpartys, auf denen sich wildfremde Menschen in den Armen liegen und streicheln? Wieso stehen auf der Straße Menschen, die Schilder mit den Worten „Free hugs“ tragen – und tatsächlich Leute  finden, die sie umarmen? Und warum boomt die Wellnessindustrie wie nie zuvor mit ihren Massagen, Facials und anderen Angeboten, in denen wir uns von Menschen, die wir nicht kennen, berühren lassen?

Zugleich nehmen wir zuhause nach x-Jahren Beziehung den Liebsten viel zu selten in den Arm. Der Paartherapeut Wolfgang Schmidbauer diagnostizierte schon vor Jahren im SZ-Magazin, dass wir ängstlicher geworden sind. „Beziehungen sind zunehmend geprägt von Rückzug, Vermeidung, Blockaden. Viele Menschen sind so verunsichert und kränkbar, dass sie die Intimität lieber in einen professionellen Bereich auslagern, wo sie sie kontrollieren können.“

Sich zwischendurch öfter berühren, ist eigentlich kinderleicht.

In seinem Ratgeber „Drück mich mal“ bestätigt der Wiener Wissenschaftler Cem: „Als Erwachsene haben wir gelernt, unsere Bedürfnisse im Zaum zu halten. Wir ignorieren das Knurren unseres Körper, der gerne mit emotionaler und psysischer Nähe gefüttert werden möchte. Wir begeben uns, Stück für Stück, in die Berührungsarmut. Dabei untersucht das Touch Research Institute in Miami schon seit Jahren, warum Hautkontakt so wichtig ist. Einige Gründe:

  • Berührungen reduzieren Stresshormone
  • verringern Schmerzen
  • verbessern die Funktionen des Immunsystems
  • mindern die Symptome bei Depressionen.

„Wer nicht berührt wrd, der droht zu verdorren und zu verwelken“, schreibt Mediziner Werner Bartens in seinem Buch „Wie Berührung hilft“. Und fügt hinzu: „Ohne Berührungen spüren wir das Leben nicht mehr.“ Entführungsopfer Natascha Kampusch etwa hatte in ihrem Kellerverließ ein so großes Bedürfnis nach menschlicher Wärme, dass sie nach Monaten ihren Peiniger, trotz aller Aversion, bat, sie zu umarmen.

Kommen Berührungen zustande, hat unser Körper ein gutes inneres Belohnungssystem, das uns nach mehr Hautkontakt verlangen lässt: Das Hormon Ocytocin, auch Kuschelhormon genannt, wird bei emotionaler Nähe ausgeschüttet. „Erhöhte Oxytocin-Spiegel lassen den unbändigen Wunsch nach Nähe und Zärtlichkeit aufkommen“, schreibt Experte Bartens. „Fassen wir uns dann an und kuscheln und berühren uns sanft, wird wiederum vermehrt Ocytocin ausgeschüttet.“ Eine Win-Win-Situation also! Das Kuschelhormon reduziert zudem in stressigen Situationen die Belastung und lässt die Beziehung zum anderen als tiefer und dauerhafter erleben.

Noch mehr Vorteile? „Liebevolle Berührungen sind gut fürs Herz, die Adern und auch andere Organsysteme“, weißt Mediziner Bartens. Doch was tun, wenn sich die Gewöhnung in die Liebe eingeschlichten hat? Eigentlich ist es ganz einfach (und dazu braucht es noch nicht einmal Sex):

  • Öfter Händchen halten! Wer angespannt ist, fühlt sich sofort besser, wenn er seine Hand in der des Partners legt. Sogar steile Wege erscheinen dann weniger mühsam.
  • Umarme den Liebsten zwischendurch. Ob morgens in der Haustür, abends beim Kochen oder draußen beim Warten auf den Bus.
  • Streicheln muss nicht als Vorspiel verstanden werden. Kraul doch beim Film schauen auf dem Sofa mal wieder über die Haut am Nacken oder Arm des Liebsten.
  • Küssen, küssen, küssen! Bei jedem Fortgehen und Heimkommen, vorm Schlafen, beim Aufwachen, einfach so …

Denn nicht vergessen, Experten meinen: Vier Berührungen pro Tag sind das Existenzminimum. Acht braucht der Mensch zu seinem Wohlbefinden. Zwölf zur Entfaltung seiner Persönlichkeit.

 

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