Im Leben kann grundsätzlich alles verziehen werden. Allerdings wächst das Gras nicht schneller, wenn man an ihm zieht, und genauso ist es mit dem Vergeben. Oft ist es so: Die einen sagen – des lieben Friedens willen – schnell einmal, dass sie verzeihen. Die anderen verzeihen nie. In beiden Fällen nimmt man sich nicht die Zeit, sich gemeinsam auseinanderzusetzen mit dem, was zu verzeihen war. Es braucht viel Zeit und die Bereitschaft, sich wirklich auf den Weg zu machen und genau zu schauen, was passiert ist. Wenn man sagt: „Mir wurde das Herz  gebrochen“, hat das beim ersten Hinschauen ausschließlich den Aspekt der aktuellen Verletzung. Meistens kommt da vieles zusammen. Nachdem wir uns nach Liebe sehnen, sind wir oft eher bereit, uns in das nächste Abenteuer zu stürzen, als uns „die zerbrochene Liebe“ genauer anzuschauen. Im Idealfall setzen wir uns also sehr wohl mit jenem Menschen zusammen, der uns das Herz gebrochen hat. Wer herausfindet, was beide (!) dazu beigetragen haben, der findet meistens auch einen Weg heraus.

Es kommt ganz darauf an, was man darunter versteht! Wenn man erwartet, ein Leben lang Schmetterlinge im Bauch zu spüren, sobald man den Liebsten sieht, dann gibt es das sicher nicht. Das erleben wir nur in der ersten Phase der Verliebtheit. Es gibt jedoch die Liebe in Form einer besonderen Beziehung, die sich permanent weiterentwickelt. Denn eine Beziehung im Stillstand führt dazu, dass wir uns voneinander entfernen. Bei Eltern und Kindern ist es leichter, weil man sich nicht von ihnen scheiden lassen kann. Wenn aber der Partner nicht mehr das macht, was wir uns wünschen und vorstellen, sind wir schneller zur Hand, die Beziehung zu beenden, anstatt wirklich hinzuschauen, was in der Beziehung passiert ist. Liebe ist eine Aktivität! Das heißt, lasse ich los und lasse ich mich gehen, wird auch die Liebe verlorengehen. Bin ich aber bereit, wirklich hinzuschauen, und bereit, etwas zu entwickeln, sind lange, tiefe, herzliche und leidenschaftliche Beziehungen möglich. Auch ein Leben lang!

Vor ein paar Jahren kam ein Paar zu uns, bei dem wir uns selbst dabei ertappt haben, dass wir dachten: „Da lohnt sich keine Mühe und kein Dranbleiben mehr.“ Doch dieses Paar, das in einer sehr schweren Krise war, hat uns gebeten, sie zu begleiten, und die beiden waren bereit, vieles zu unternehmen und sich genau anzuschauen, was in ihrer Beziehung falsch gelaufen ist. Wir wurden eines Besseren belehrt! Zwei Jahre später hatten die beiden ihre Krise überwunden und sind wieder zusammengekommen. Wenn wir glauben würden zu wissen, wann eine Beziehung zu Ende geht, oder empfehlen, zusammenzubleiben, dann würde etwas nicht stimmen. Auch wenn wir schon viele Paare begleitet haben, sodass man uns Erfahrung nachsagen kann. Wenn wir eine solche Einschätzung treffen, dann hat das viel mehr mit uns zu tun und mit unserer eigenen Geschichte als mit dem Paar. Da haben uns die Paare, die wir schon begleitet haben, sehr viel gelehrt. Es ist am sinnvollsten, der Beziehung eine gewisse Auszeit zu gönnen, in der man alles gut klärt. Also keine Auszeit voneinander, sondern eine Auszeit miteinander! Dann ist sowohl ein Wiederzusammenfinden als auch eine in Liebe stattfindende Verabschiedung möglich. Wir halten nur wenig davon, Prognosen zu erstellen, auch wenn das die Paare manchmal von uns verlangen und eine Antwort für einen Moment Erleichterung bringen würde. Doch diese Prognose stimmt im Rückblick meistens nicht.

Das kann auf sehr viele Arten passieren, das kann ein gemeinsamer Tanzkurs sein oder gemeinsam ein Buch zu lesen. Wichtig ist, dass die Paarbeziehung exklusive Zeit hat. Sehr hilfreich ist ein Blick zurück: Was hat man am Anfang der Beziehung gerne miteinander gemacht und ist dann im Alltag verlorengegangen? Es kann erfrischend sein, das wieder zu integrieren. Beziehung braucht einerseits Sicherheit und andererseits Abenteuer, meist vertritt der eine Partner mehr die Sicherheit und der andere mehr das Abenteuer. Oft hilft es schon, hier einmal einen Rollenwechsel zu probieren.