Zeiterscheinung
Generation unglücklich – gehörst du dazu?
Das Wetter ist mal wieder mies, die Jeans kneift und du fühlst dich lustlos, träge und ausgelaugt? Wenn du dann auch noch Montage hasst, könntest du zur Generation unglücklich gehören.
Früher war alles anders, oder?
Letztens hat mich mein Dad gefragt, wie es mir heute geht. Ich antwortete: „Gut. Wobei, es ist Montag, da halte ich ‚gut‘ für übertrieben. Sagen wir lieber, mir geht es ganz okay!“ Kurze Zeit drauf telefonierte ich mit einer Freundin. Sie ist nicht gut drauf. Warum? Das konnte sie nicht genau sagen. Es sei ein Zusammenspiel aus vielen Faktoren, irgendwie sei alles sch…: das Wetter, die Arbeit, die Haut, das zu knappe Monatsgehalt. Als mir dann nur ein paar Minuten später meine Schwester ihr Leid über ihren Tag klagte, war ich plötzlich nur noch genervt. Genervt, dass wir alle (mich eingeschlossen) nur am Nörgeln und Rumjammern sind!
Ich frage mich: Warum geht es uns meist nur okay und nicht etwa gut oder sogar bestens? Haben wir doch ein Dach über dem Kopf, einen Job und vor allem: Wir sind (hoffentlich) gesund! Mein Papa ist bereits in Pension und hat jahrzehntelang gearbeitet. Nicht nur von Montag bis Freitag, nein, es gab Jahre, da saß er auch jedes Wochenende im Büro. Ich frage mich, wie er das durchgestanden hat, ohne sich komplett ausgelaugt und unglücklich zu fühlen. Rückblickend betrachtet, würde er nicht mehr über Jahre hinweg jeden Tag in die Arbeit gehen, aber damals hat es ihm offenbar nichts ausgemacht. Was mir an meinem Dad immer wieder auffällt: Er ist wahnsinnig dankbar. Dankbar, dass er gutes Essen hat, dankbar, dass er keine schlimmeren Beschwerden hat. Letztens saßen wir beim Abendessen und er meinte wie aus dem Nichts: „Ich habe wirklich ein gutes Leben!“ Und dieser Satz hat mich irgendwie so beeindruckt, gleichzeitig aber nachdenklich gestimmt, da ich das so noch nie ausgesprochen habe. Und irgendwie schämte ich mich dafür ein wenig.
Im Gegensatz zu früher hat sich allein die Lebensqualität dermaßen verbessert. Die Medizin hat solche Fortschritte gemacht, dass sich die meisten von uns an einem langen Leben erfreuen dürfen. Wir können uns viele Dinge einfach kaufen, wir können uns in die eigenen vier Wände zurückziehen, wir können laufen, singen und lachen. Okay, ich will hier nicht in eine pseudophilosophische Richtung nach dem Motto „live, laugh, love“ abdriften. Aber dass es dem Großteil von uns gutgeht, das sollten wir uns eingestehen und auch wieder mehr zu schätzen lernen. Offensichtlich haben es viele von uns nie gelernt oder verlernt. Wir fühlen uns häufig lustlos, nörgeln schnell und beklagen uns über jede Kleinigkeit.
Dinge, welche die „Generation unglücklich“ komplett aus dem Lot bringen können:
- Es ist Sonntag
- Fingernagel abgebrochen
- Nagellack abgesplittert
- Patzer auf den frisch lackierten Nägeln
- Es regnet und du hast keinen Schirm
- Es ist heiß draußen und du schwitzt ununterbrochen
- In den Öffis sind alle Sitzplätze besetzt
- Die falsche Pizza wurde geliefert (und der Pizzabote muss sofort als Sündenbock herhalten)
- Das Handy hängt
- Der Speicherplatz ist voll
- Die Akkukapazität beträgt weniger als fünf Prozent
- Netflix funktioniert plötzlich nicht
- Die Süßkartoffelpommes sind lasch
- Die Frisur sitzt nicht richtig
- Die Strumpfhose hat eine Laufmasche
- Ein Pickel ist über Nacht entstanden
- Die Chipspackung ist so aufgerissen, dass alle Chips herausfallen
- Jemand geht vor dir ganz langsam oder bleibt plötzlich stehen
- Leute, die auf der Rolltreppe links stehen
- Die Brille ist schon wieder schmutzig und du hast kein Brillenputztuch
- Wassertank der Kaffeemaschine ist leer
- Ein Fehltritt in Hundekot
- Deine Lieblingseissorte von Ben & Jerry’s ist ausverkauft
- Klopapier ist leer und du sitzt auf der Toilette usw.
Es gibt also offensichtlich immer einen Grund, unglücklich oder genervt zu sein.
Was also dagegen tun?
Wir fühlen uns häufig unzufrieden, sind schnell genervt und an manchen Tagen pausenlos am Jammern. Was nicht heißen soll, dass wir gänzlich damit aufhören sollen! Und natürlich, im Vergleich zu Menschen, die in ärmlichen Verhältnissen, mit schlimmen Familiendramen oder Krankheiten leben müssen, geht es uns immer gut. Die „Es gibt echt Schlimmeres“-Reaktion, die dann häufig von Außenstehenden auf das Jammern folgt, ist aber nicht ratsam. Es ist ein Totschlagargument, das als solches gar nicht zählen dürfte. Denn demnach hätte keiner mehr das Recht, sich zu beklagen. Aber das haben wir, wir nutzen es nur manchmal mehr, als uns lieb ist.
Also beklagen wir uns weiterhin, wenn uns etwas stört, aber vielleicht jeden Tag ein bisschen weniger. Wir könnten uns zum Beispiel ganz bewusst ärgern und genau dann versuchen, den Frust nicht zu groß werden zu lassen. Damit ist schon ein großer Schritt getan, dass wir die Generation unglücklich hinter uns lassen und zu mehr Zufriedenheit mit unserem Charakter, unserem Körper und unserer Umwelt finden.
Abzugrenzen von den ständigen Nörgeleien (die hier durchaus auch mit einem Augenzwinkern zu betrachten sind) sind natürlich schwerwiegendere, psychische Probleme wie Depressionen. Wenn du dich dauerhaft leer und traurig fühlst und unter starken Selbstzweifeln leidest, dann solltest du unbedingt mit deinem Arzt darüber sprechen.
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