Rückblick
Persönlicher Brief an mein jüngeres Ich
Stell dir vor, du schreibst einen Brief an dein jüngeres Ich. Was würdest du ihm auf den Weg mitgeben und was hättest du anders gemacht?
Ein Brief an mich selbst
Liebe …,
viele Jahre sind vergangen, und wenn ich mir alte Fotos ansehe, so würde ich dich einfach gerne in den Arm nehmen. Du warst oft so unsicher, hattest ganz viele Zweifel und hast dich viel zu viel mit dem Aussehen deines Körpers beschäftigt. Ich wünschte, ich könnte dir ein paar Sorgen und Zweifel nehmen. Okay, ich würde dir aber auch dringend raten, deine Augen nicht ganz so extrem mit schwarzem Kajal zu umranden, dir deine Blocksträhnen rauswachsen zu lassen, dir keinen zu dunklen Selbstbräuner mehr ins Gesicht zu klatschen und nicht ständig im Winter mit Hüfthosen rumzurennen, aber das ist ein anderes Thema.
Du hattest Freunde, die dir Kraft und Energie raubten und deine Stimmung negativ beeinflussten, tagtäglich. Ich würde heute zu ihnen auf Distanz gehen. Du hast auch nie einen Gefallen abgeschlagen, von dir konnte man alles haben. Ja, selbst Zeitungsabos, die du nicht bezahlen konntest, hast du dir aufschwatzen lassen. Und als sie anschließend zugeschickt wurden und Mutter stinksauer war, da hattest du den Salat! Heute würde ich dir raten, Nein zu sagen und deine Grenzen aufzuzeigen. Nicht jeder kann dich mögen und es ist so viel besser für dich, wenn du das erst gar nicht versuchst.
Ich würde dir auch ganz dringend empfehlen, keine Dinge mehr zu machen, um andere zu beeindrucken. Als du damals im Freibad eine Wette abgeschlossen hast, vor den älteren Klassenkameraden cool sein wolltest und dafür halb dein Leben riskiert hast, war das ganz und gar nicht cool. Das war einfach nur dämlich.
Leider hast du ziemlich viel Alkohol getrunken und rückblickend rate ich dir wirklich davon ab. Zumindest hättest du auf etwas mehr Klasse statt auf den billigen Fusel setzen können, dann wäre dein Kater womöglich erträglicher gewesen. Und drück doch bitte deine Zigarillos aus, der kalte Rauchgeruch am nächsten Morgen war ja wohl alles andere als sexy.
Was ich aber ziemlich toll finde, ist, dass du dich nicht vom Gruppenzwang hast mitreißen lassen, was erste sexuelle Erfahrungen anbelangt. Auf den Partys hat ja wirklich jeder mit jedem geschmust. Da hast du dich immer geziert und dem Druck nicht nachgegeben. Gut so! Zwar wurde der erste Kuss mit 16 und Zahnspange dann etwas feucht und holprig, aber das ist ja egal.
Als plötzlich alle mit coolen Puma- und Nike-Klamotten daherkamen, wolltest du auch unbedingt so ein Teil haben, nur leisten konntest du es dir halt nicht. Und ich sage dir eines: Du hast deine gefälschten Puma-Hoodies sowas von gerockt, weil du sie mit Stolz getragen hast und es dir egal war, ob man dir auf die Schliche kommt oder nicht.
Damals, als sich dein erster richtiger Freund von dir trennte, hast du monatelang gelitten. Du hast fast nichts mehr gegessen und deine Lebensfreude verloren. Ich hätte dich so gerne in den Arm genommen und dir gesagt, dass das alles halb so wild ist. Dass Trennungen eben zum Leben dazugehören und sich Menschen nun mal in unterschiedliche Richtungen entwickeln können.
Weitere Ratschläge
Ansonsten kann ich dir noch raten:
- Zieh dir beim Weggehen etwas drüber, dein mit Silikoneinlagen nach oben gepushter Busen springt mir ja förmlich schon entgegen.
- Bitte schmier dich mit Sonnencreme ein und leg dich nie wieder für mehr als 20 Minuten ins Solarium.
- Reinige unbedingt das Aquarium deiner Schildkröten öfters!
- Und bitte wische das aufgemalte Anarchie-Zeichen von deinen gefälschten Converse Sneakers – das hat einfach nicht mit deiner Lebensweise zusammengepasst.
Und zum Schluss wünsche ich dir von ganzem Herzen, dass du dich nicht gegen dich selber stellst. Dass du nicht so etwas wie Hass dir gegenüber empfindest. Ich wünsche dir, dass du nicht so streng zu dir bist und damals schon die Liebe hättest empfinden können, die ich jetzt meinem Inneren gegenüber verspüre. Aber ansonsten warst du eigentlich ne ziemlich coole Socke!
Alles Liebe,
deine …