Ich glaub, ich geh in den Wald
Du willst die Welt retten? Dann ab ins Grüne! Tiefenökologe Andreas Schelakovsky erklärt, warum uns der Aufenthalt im Wald zu einem besseren Menschen machen kann.
Der Wald macht uns angstfähiger
Herr Schelakovsky, alle reden von Nachhaltigkeit – und meinen damit oft Konsumverzicht. Wie kann dabei ausgerechnet der Wald helfen?
Im Konsumverzicht steckt das Wort „Verzicht“ drin. Aber wer tut das schon gern, auf etwas verzichten? Wir genießen lieber. Das geht über eine freudvolle Begegnung mit dem Wald. Im Alltag sind wir ja oft gestresst, es entsteht kein Engagement, sich mit den Problemen der Welt zu befassen. Fühlen wir uns aber wohl und entspannt, ist das eine gute Basis für alles Weitere. Aus Studien wissen wir: Besonders Familien haben nachhaltige Gedanken. Unsere Kinder werden in der Welt leben, die wir hinterlassen. Und im Wald oder in den Bergen oder am Meer wird man sich dessen bewusst, denn die Natur ist nichts Abstraktes wie Konsumverzicht.
Macht uns der Aufenthalt im Wald zu engagierteren Menschen?
Ja. Die Kraft, die wir etwa bei einem achtsamen Waldspaziergang gewinnen, können wir dort nützen, wo wir sie im privaten oder beruflichen Alltag brauchen – oder für gesellschaftliches Engagement. Im Wald begegnen wir dem, was unser Leben, unsere Lebendigkeit ausmacht: Freude, sanfte Berührtheit, Liebe, innere Trauer, Hass, Langeweile … Von den Pflanzen im Wald geht ein Impuls aus, den man als Mensch unterbewusst versteht.
Nun gibt es neben dem Klimawandel andere Themen, die beängstigend sind. Terrorismus, etwa. Wie soll der Wald es schaffen, uns unsere Ängste zu nehmen – und aktiv für die Umwelt werden zu lassen?
Die Angst ist ein mächtiges Gefühl. Und im Moment wohl das Thema. Aber wer Angst hat, kann kein positives Lebensbild entwerfen. Der Wald kann uns zwar unsere Ängste nicht nehmen, er ist schließlich keine Manipulationsmaschine für unsere Gefühle. Doch tiefenökologisch gedacht, kann eine Begegnung mit dem Wald uns angstfähiger machen. Warum? Menschen ändern sich nur, wenn sie einen Halt spüren. Und auf ihre Ressourcen zurückgreifen können. Wer das Gefühl von Getragenwerden und Sicherheit verspürt, kann sich mit Angst machenden Themen beschäftigen. Das Meer, die Berge, der Wald vermitteln dieses positive Gefühl.
Und dann macht uns der Wald zu engagierteren, „besseren“ Menschen?
Ja. Denn die Tiefenökologe sagt: Wenn wir uns sicher fühlen, haben wir aus uns heraus die Kraft und das Bedürfnis, auch für andere und das große Ganze etwas zu tun. Und diese Kraft entsteht aus der Verbundenheit. Im Alltag leben wir getrennt beispielsweise von der Näherin in Kambodscha, die unsere Turnschuhe näht. Aber durch die Begegnung mit der Natur entsteht eben Verbundenheit – mit der Welt und mit anderen Menschen.
Was unterscheidet eigentlich den Umweltschutz von der Tiefenökologie?
Umweltschützer äußern moralische Appelle oder wollen mit Katastrophenbildern und Bildern vom verwundeten Planeten Erde erreichen, dass Menschen aktiv werden. Die Motivation der Tiefenökologie ist anders. Wir wollen das über die Freude am Schönen. Eben über die Verbundenheit. Wenn man sich selbst anschaut, fühlt man sich ja auch mit jedem einzelnen Körperteil verbunden, ob mit den Füßen oder den Händen – und wenn ein Teil sich verletzt, wird der Rest des Körpers handeln und diesem Teil, dem er sich verbunden fühlt, helfen.