Beziehungsprobleme reden
7. September 2016 von Mareike Steger

Schatz, wir müssen nicht reden!

In einer guten Beziehung, heißt es, sollte man über alles reden können. Stimmt nicht: Es gibt durchaus Momente, in denen es besser ist zu schweigen.

Reden, reden, reden? Nicht unbedingt!

„Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“, so ein bekanntes Zitat des Philosophen Ludwig Wittgenstein. Wer sich das in einer Beziehung auf seine Fahnen schreibt, wird mit dieser Taktik aber schnell gegen die Wand fahren. Denn in einer guten Beziehung muss man sehr wohl kommunizieren – ob über die eigenen Bedürfnisse, gute Vorschläge, was die Beziehung noch besser macht, oder einfach darüber, wer den Wochenendeinkauf macht.

Doch es gibt Momente, in denen das große Reden nicht angesagt ist. Wenn die Beziehung noch frisch ist, empfiehlt der Wiener Beziehungscoach Dominik Borde etwa, vom neuen Partner nicht alles auf einmal wissen zu wollen. „So manche Geständnisse können das Gegenüber stark verunsichern.“

Lieber einmal schweigen

Auch wenn sich ein Paar schon länger liebt, sollte es Probleme nicht zerreden, sondern aktiv nach Lösungen suchen. Und: „Einmal schweigen, statt seinen Emotionen freien Lauf zu lassen. Sonst endet der Wunsch nach einem klärenden Gespräch sehr rasch in einer unbefriedigenden Pattsituation“, sagt Experte Borde.

Statt zu reden, kann schweigen eine gute Sache in Beziehungen sein.

Vier Paarsituationen, in denen schweigen statt reden angesagt ist

1. SCHWEIGEN STATT WUTAUSBRUCH

Es gibt Paare, die reden zwar viel, aber immer um den heißen Brei herum. Sie zanken sich an Nebenschauplätzen, bis einer von beiden explodiert. „Meist hagelt es dann Vorwürfe, die der andere gar nicht erfassen kann. Und reagiert dann automatisch mit Ablehnung.“ Statt sich in Rage zu reden, empfiehlt Coach Borde: „Einmal kurz durchatmen und schweigen. Zumindest so lange, bis man weiß, warum man eigentlich so wütend geworden ist.“ Und dann? Statt sich wie bisher über Banalitäten zu streiten, endlich Klartext reden! Und dem Partner erklären, warum man so wütend geworden ist. Ob das nun Dinge sind wie „Mich stört, dass du mit unserem Geld so verschwenderisch umgehst“ oder „Alle Arbeit bleibt an mir hängen“.

2. SCHWEIGEN STATT RECHTFERTIGUNG

„Schatz, wir müssen reden“ ist kein guter Auftakt für ein Paargespräch. „Viele rüsten sich so schon innerlich für mögliche Angriffe“, sagt Beziehungscoach Borde. Daraus folgen als eine Art Trotzreaktion endlose Rechtfertigungen. „Oft ist es sogar so, dass schlussendlich derjenige, der den Konflikt angesprochen hat, das Gefühl hat, als Schuldiger dazustehen.“ Mit der Folge, dass sich beide angegriffen fühlen und der Streit von neuem losgeht. Bordes Tipp: Nicht reden. Einfach zuhören, bis der Partner fertig gesprochen hat. „Das ist gar nicht so einfach. Aber ich signalisiere dem anderen damit: ‚Du bist mir wichtig, ich möchte dich verstehen.‘“

3. SCHWEIGEN STATT VERLETZENDER WORTE

Das Wörtchen „immer“ hat es in sich. Im Beziehungskontext ausgesprochen, kann es wie eine Waffe wirken. Sätze wie „Immer bist du gleich beleidigt“ oder „Immer reagierst du wie deine Mutter“ bringen den Partner verständlicherweise auf die Palme. Hier rät der Beziehungsexperte: Nicht impulsiv losreden, lieber die Worthülsen runterschlucken oder umformulieren. „Denn jede Beziehung hat ein Beziehungskonto. Jedes böse Wort ist wie eine Abbuchung.

4. SCHWEIGEN STATT SICH IM KREIS DREHEN

Viele Paare sind gut im Analysieren von Problemen. Wenn sie reden, bringt sie das weiter. Aber: Bei manchen Themen drehen sie sich im Kreis. „Meist handelt es sich um Rucksäcke aus der Vergangenheit, die immer mitgeschleppt werden, oft geht es um einen Vertrauensbruch eines Partners. Wenn etwa einer der beiden fremdgegangen ist oder ein intimes Geheimnis weitererzählt hat“, sagt Dominik Borde. „Doch irgendwann ist ein Problem von allen Seiten ausgiebig beleuchtet worden – und das Paar muss akzeptieren, dass manche Dinge wehtun und nicht mit einem Gespräch aus dem Weg geräumt werden können.“ Was also tun? Der Experte rät: „Statt ständig in der Vergangenheit zu wühlen, sollte das Paar in die Zukunft schauen. ‚Was können wir aus der Situation lernen? Was können wir besser machen? Wie können wir das in Zukunft vermeiden?‘ Mit dem Blick in die Zukunft kann man als Paar wachsen.“

Was dich auch interessieren könnte